Autonomia e diferenciação do processo judicial: análise da sentença de primeiro grau no processo judicial ação penal nº 5046512-94.2016.4.04.7000/PR a partir da teoria sociológica do direito de Niklas Luhmann.

Abstract

The present paper is an analysis of the formation of autonomous social systems in legal proceedings. According to the theory of Luhmann, the autonomous character is caused by structures inherent to procedural dogmatics, which will be firstly defined and then analysed by being applied through a case study of the the process referred to as AÇÃO PENAL Nº 5046512-94.2016.4.04.7000/PR. It is intended to identify those structures, that contribute to the formation of an autonomous social system within dogmatic processes. For this purpose, the present research presupposes that the relationship between a complex society, positivized law and the proceedings is analysed as determining for the comprehension of the decision taking techniques and the execution of law. Following the proposed theoretical foundation, it is admitted that law performs a specific function, namely that of supplying a congruent orientation in the course of meaning creating processes, by setting normative expectations confirmed in a counterfactual way. The present paper considers the function of establishing a congruency among the temporal, social and material realms of meaning as being implemented via júridical decisions and therefore, the congruency will be confronted with the constructions of a dogmatic process on basis of the aforementioned júridical decision. By this means, the construction of the social system will be traced through the process, being analysed as an autonomous system of communication towards the general system of society, which constitutes the environment of the law system. In order to investigate the research proposal and following the aforesaid foundation, the following initial question will be posed: what structures collaborate with the formation of an autonomous social system, a social system of communication with its own time, that differs from social time; with specific social roles, that differ from social roles broadly performed in society; and a specific matter, reality, selected by the dogmatic process? The hypothesis of this work is hence indicating the existence of autonomous social systems, specifically law based, as being formed in legal proceedings. A sociológical theory is taken to provide the means needed in order to comprehend this autonomous formation and thus to allow for identification of those structures that, through the dogmatic technique of decision production in the judicial process, form this autonomy. The research was conducted through an analytic functional methodology. The work is divided in six chapters, of which the first consists in a presentation of the sociológical theory and the second focusses on the function of law, according to this theory. Subsequently, the third and fourth chapter supply analyses of the proceedings as special social systems and as meaning producing system, respectively, followed by the presentation of those aspects of analytic rhetoric, relevant to this research. In chapter six, the theoretical aspects and intermediate results are applied to the aforementioned case, illustrating the taking place of the described processes by concrete examples. This paper draws a conclusion in favour of the existence of autonomy in júridical proceedings before the social system in a broader sense, in the temporal as well as in the material and social realms and accounts for this phenomena by pointing out certain structures of dogmatic processes, such as preclusion, the impartiality of the judge, the creation of a specific history in the proceedings and the matters, legal facts, selected in order to substantiate the decision. Finally, it is given an outlook for further research proposals on the matter.

ZUSAMMENFASSUNG In der vorliegenden Arbeit soll die Entstehung autonomer sozialer Systeme im Rahmen juristischer Prozesse analysiert werden. In Anlehnung an die Theorie Luhmanns wird davon ausgegangen, dass der autonome Charakter der Systeme durch dogmatischen Prozessen inherente Strukturen hervorgerufen wird. Diese Strukturen sollen daher zunächst definiert und im Anschluss daran durch die Anwendung auf einen Konkreten Fall, nämlich das Gerichtsurteil AÇÃO PENAL Nº 5046512-94.2016.4.04.7000/PR, analysiert werden. Wesentlich für die Analyse ist die Identifizierung derjenigen Strukturen, welche zur Entstehung eines autonomen sozialen Systems im dogmatichen Prozess beitragen. Das vorliegenden Vorschungsvorhaben basiert auf der Annahme, dass die Beziehung zwischen einer komplexen Gesellschaft, dem positivierten Recht und dem Verfahren das Verstehen der Urteilsbildungstechnik sowie der Rechtsanwendung bedingt. Im Einklang mit der genannten theoretischen Grundlage lässt sich auf eine spezifische Funktion des Rechts schließen, nämlich die der kongurenten Orientierung anhand der Etablierung von normativen Erwartungen, welche kontrafaktisch gesichert werden. Für die vorliegende Arbeit erfüllt das juristische Urteil die Funktion der Schaffung jener Kongruenz, welche die Bereiche des zeitlichen, des gesellschaftlichen und des materiellen Sinns umfasst. Entsprechend soll die Kongruenz mit den Konstrukten des dogmatischen Prozesses gegenübergestellt werden, wobei des ausgewählte Urteil als Rahmen dient. Auf diese Weise soll die Enstehung eines gesellschaftlichen Systems innerhalb des analysierten Prozesses nachgezeichnet werden. Das entstehende autonome System der Kommunikation sieht sich im Prozess dem allgemeinen Gesellschaftssystem, repräsentiert im Rechtssystem, gegenübergestellt. Zur Untersuchung des hier verfolgten Forschungsvorhanbens im Rahmen der genannten theoretischn Grundlagen soll zunächst folgender Forschungsfrage nachgegangen werden: Welche Strukturen bilden die Grundlage für die Entstehung eines autonomen gesellschaftlichen Systems, einem gesellschaftlichen System der Kommunikation, dessen Zeitlichkeit nicht mit der in der Gesellschaft innewohnenden Zeit übereinstimmt; mit spezifischen sozialen Rollen, welche sich von jenen Rollen unterscheiden, die in der Gesellschaft im Allgemeinen eingenommen werden; und einer spezifischen Materie, einer Realität, welche durch den dogmatischen Prozess determiniert wird? Diese Arbeit geht somit davon aus, dass im Rahmen juristischer Prozesse und speziell für diesen Kontext autonome soziale Systeme der Kommunikation entstehen und dass ein gesellschaftstheoretischer Ansatz die adäquaten Mittel für deren Analyse bereitstellt. Mithilfe einer derartigen Analyse können jene Strukturen ausgemacht werden, welche innerhalb juristischer Prozesse mittels dogmatischer Urteilsbildungstechniken den autonomen Charakter bilden. Die gewählte Forschungsmethode ist eine analytisch funktionelle. Die Arbeit ist in sechs Kapitel gegliedert, von denen das erste Kapitel eine Einführung in die soziologische Theorie darstellt, während sich das zweite Kapitel auf die Funktion des Recht innerhalb der dargelegten Theorie fokussiert. Anschließend soll das Verfahren in Kapitel drei und vier zunächst als spezielles gesellschaftliches System und im Anschluss als sinnstiftendes System dargestellt werden. Im Folgenden widmet sich das Kapitel fünf denjenigen Aspekten der analytischen Rhetorik, welche sich für die vorliegende Arbeit als relevante erweisen. In Kapitel sechs werden die theoretischen Aspekte und die Zwischenergebnisse auf den Referenzfall angewandt und somit die beschriebenen Prozesse anhand konkreter Beispiele veranschaulicht. In einer abschließenden Betrachtung kann festgehalten werden, dass die hier dargelegte Datenlage die Existenz einer Autonomie juristischer Verfahren gegenüber sozialer Systeme im weiteren Sinne nahelegt und diese die temporale, materielle und soziale Ebene einschließt. Als ausschlaggebend für die Enstehung der Autonomie können dogmatischen Prozessen inherente Strukturen, wie der Ausschluss, die Unvoreingenommenheit des Richters, eine spezifische Geschichtsschreibung im Rahmen des Verfahrens und des Falls, juristische Fakten, zur Untermauerung des Urteilsspruchs, angenommen werden. Inhalte und Forschungsfragen für weitere Forschungsarbeiten zum Thema sind gegeben.